Der Hund der sein eigenes Herrl sein wollte

Eine Geschichte von Manfred Kasper
Diese Geschichte fängt nicht mit „es war einmal“ an, sondern es ist einmal vor vier Jahren ein ganz junger Hund, vielleicht vier Monate alt, aus einem Tierheim abgeholt worden. Seine Eltern gab es nicht mehr. Ein junges Ehepaar hatte in unter mehreren Tieren wegen seines treuherzigen Blickes und seiner lustigen Augen ausgesucht. So wirklich konnte man keine Rasse feststellen, aber Rasse „Hund“ ist Auszeichnung genug. Mit freudigem Hüpfen und Versuchen sich ins eigene Hinterteil zu beißen und natürlich auch wedeln mit dem Schwanz, fing eine wunderbare Freundschaft an. Auch ein Name war schnell gefunden, er sollte Odin heißen. Sein neues Herrl war Biologielehrer und hatte schon Erfahrung mit einem Hund. Denn seine Großeltern hatten ein braunes Boxermädchen, Bibi genannt, das sich durch ein besonders breites Maul auszeichnete. Bibi konnte eigentlich keine Kunststücke. Nur eines. Sie konnte aus einer Schüssel voller Fressen eine einzige Erbse heraussuchen. Ja, und Manner-Schnitten fraß sie auch gerne.

Diese Erinnerung an den Hund der Großeltern war Ansporn und Ehrgeiz genug, um dem neuen Familienmitglied Kunststücke und gutes Benehmen beizubringen. Dachte zumindest sein Herrl. Odi, wie der Hund gerufen wird, lernte schnell verschiedene Befehle und bekam dadurch auch viele Leckerlis.

Durch das Erreichen einer gewissen Zirkusreife wurde er auch in den Biologieunterricht seines Herrl eingebunden. Die Schüler und Schülerinnen hatten viel Spaß und Freude mit den vielen Kunststücken des Hundes.

Aber Odin war auch eine starke Hundepersönlichkeit und mit der Zeit war er derjenige, der sein Herrl immer mehr und mehr beherrschte. Und jetzt nach vier Jahren, wenn Odi es will, macht auch sein Herrl Kunststücke. Mit dem Unterschied, dass er keine Leckerlis bekommt.

Und manchmal wenn Odin bellt und man ihm dabei aufs Maul schaut, kann man ein lustiges Grinsen um seine Mundwinkel bemerken.

Ist jetzt der Hund das Herrl oder das Herrl der Hund?